Eine Kühlschranktür. Man kann ja nicht sagen, dass dieses Konzept neu wäre. Trotzdem ist unser Exemplar noch nicht ganz ausgereift. Über die aktuelle Bewertung der Ästhetik lassen wir uns an dieser Stelle mal nicht aus. Zur Zeit des Baus war dies sicher eine ‘schöne Lösung’. Praktisch ist sie allerdings nicht. Mit einer Flasche Milch in der einen, meiner Tochter in der anderen Hand versuchte ich den Kühlschrank zu öffnen. Ging nicht. Mit zwei Fingern reichte meine Kraft nicht den kleinen Knubbel genügend zu fassen um die Tür aufzuziehen. Natürlich auch ein Effekt meiner verkümmernden Bürotätigkeit. Daneben ist es aber ein Mangel in der ‘Usability’ des Kühlschranks. In den Wirren meiner Gedankengänge entstanden plötzlich Referenzen auf die tägliche Arbeit in der Informatik.
Den Mangel der Kühlschranktür war nicht Absicht des Architekten oder Bauherren. Der Knubbel ist sicherlich fachmännisch montiert, hält er doch schon seit über 30 Jahren. Die Türe lässt sich im Normalfall einwandfrei damit öffnen. Alle Türchen in der Küche sind mit diesem Knubbel ausgestattet. Ideale Ausnutzung von Montage- und Einkaufssynergien. Der Anwender der Kühlschranktür muss kein neues Griffkonzept kennenlernen sondern öffnet alle Türchen mit diesem Knubbel. Warum ist es also ein Problem und wie könnte man es verhindern?
Einen Architekt mir Erfahrung im Küchenbau werden die einen sagen. Doch hat nicht jeder, der im Alter ist eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben, schon die Situation mit zwei halb vollen Händen einen Kühlschrank öffnen zu müssen angetroffen? An fehlender Erfahrung oder Problemignoranz kann es also nicht unbedingt liegen. In der IT würden wir Testfälle beschreiben, in einem Testdrehbuch festhalten und bei den Tests auf das Problem stossen. Doch wiederum nur, wenn wir an die Situation mit den halb vollen Händen denken und diesen Testfall auch abbilden.
So ist Usability ein ständiges Thema. Es müssen alle Beteiligten in der Lage sein eine Anwender-Brille aufzusetzen. So hat man sehr viel verschiedene Perspektiven auf das Thema. Es erhöht die Chance das Problem frühzeitig erkennen und verhindern zu können. Da selbst das beste Planungs- und Engineeringteam nicht fehlerlos sein kann, ist eine weitere Stufe notwendig. Die Fehler müssen auch im Betrieb erkennbar sein. Einfache Kanäle für die Meldung von Schwachstellen müssen etabliert werden. So kriegt der Anwender eine Stimme die rasch von den richtigen Personen gehört wird. Die erkannten Fehler müssen dann auch rasch behebbar sein.
So ist Usability eigentlich das Pendant eines Münsters in der Informatik. Denn mit der Skalierung auf mehr als einen Anwender, mit der Betrachtung von mehr als einem System, wird das Thema eine ewige Baustelle.
Manchmal hilft es auch die Grundkonzepte zu hinterfragen. Als Beispiel zeigt sich die aktuell stattfindende Abkehr vom ‘Speichern’. Neue Betriebssysteme auf mobilen Endgeräten haben meist keinen Button zum Speichern eines Arbeitsstands. Mittels laufender Versionierung und Sicherung wird dies dem Anwender abgenommen. Für uns Alteingesessenen ein etwas gewöhnungsbedürftiges Konzept. Ungern geben wir die Kontrolle her. Wenn man aber ehrlich ist, der richtige Weg. Weshalb sollte sich der Anwender um die Sicherung seines Arbeitsstandes kümmern? Er kann zu jedem Zeitpunkt einen Stand wegsichern wenn er dies bewusst möchte. Er kann am Ende seine Datei in ein anderes Format exportieren. Es gibt keinen Grund während der Arbeit an einem Dokument dieses zu sichern. Schreibe ich und drücke laufend CMD + S in einem Texteditor der dies nicht unterstützt. Zu sehr verankert ist die Angst vor dem Verlust von meinen geschriebenen Worten.
So kann sich Usability im Laufe der Zeit auch sehr grundsätzlich verändern. Was vor Jahren vielleicht die beste Implementation der Industrie war, ist inzwischen veraltet und überholt. Flexibilität Änderungen zu erkennen und eine Organisation die diese Änderungen auch einführen und pflegen kann sind meines Erachtens der Königsweg im Münsterbau der Informatik.